Freiburg-Hochdorf

 

"Wie passt das Ökologische zum Sozialen?"

Veröffentlicht in Interview

Im Vorfeld des entsprechenden Vortrages der SPD-Landtagsabgeordneten Gabi Rolland in Freiburg-Hochdorf am Donnerstag, dem 18. Mai 2017, hat der Ortsvereinsvorsitzende Dr. Heinz W. Joseph die Referentin interviewt.

Interview mit der SPD-Landtagsabgeordneten Gabriele Rolland

H. W. J.: Frau Rolland, wie sind Sie in die jetzige Position innerhalb des Landtages gekommen? Um welche Aufgaben haben Sie sich als Vorsitzende des Umweltausschusses zu kümmern? (Welche Zielsetzung hat der von Ihnen geleitete Ausschuss und was konnte bereits umgesetzt werden?)

G. R.:  Auf Grundlage des Ergebnisses der Landtagswahl vom 13. März 2016 wurde von den Fraktionen im Landtag vereinbart, dass die SPD-Fraktion den Posten der/ des Vorsitzenden in zwei (von insgesamt 12) Landtagsausschüssen besetzen könne. Die Fraktion fasste nach internen Beratungen den Beschluss, mich für den Vorsitz im Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft zu nominieren. Auf der konstituierenden Sitzung des Ausschusses am 28. Juni 2016 wurde ich von seinen Mitgliedern zur Vorsitzenden gewählt.
Zu meinen Aufgaben als Vorsitzende gehören die Vorbereitung und Leitung der Sitzungen sowie die Vertretung der Entscheidungen und Anliegen des Ausschusses.

H. W. J.:  Mit welchen Themen befasst sich der Umweltausschuss des Landtags in der verbleibenden Legislaturperiode und welchen bundespolitischen und europapolitischen Einfluss geht von ihm aus? Wie steht die Landesregierung zur Arbeit des Ausschusses und gibt es insbesondere zu den „Grünen“ Brücken, die diese Arbeit nicht nur in Form von Lippenbekenntnissen unterstützen?

G. R.: Die einzelnen Ausschüsse, denen jeweils 21 Abgeordnete angehören (Grüne 7, CDU 6, SPD 3, AfD 3 und FDP 2) befassen sich mit den Angelegenheiten, die ihnen - in der Regel vom Plenum - im Einzelfall überwiesen worden sind, und geben Beschlussempfehlungen. Darüber hinaus können die Ausschüsse auch andere Fragen aus ihrem Geschäftsbereich beraten und dem Landtag zur Entscheidung vorlegen.
Umweltschutz, Nachhaltigkeit, Naturschutz, Energiepolitik, Immissionsschutz sowie Wasser- und Abfallwirtschaft sind die Themen, mit denen sich der Ausschuss für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft beschäftigt. Von zentraler Bedeutung ist die Energiewende. Deshalb sind die erneuerbaren Energien sowie die Entsorgung radioaktiver Stoffe und die Atomaufsicht häufig Gegenstand der Beratungen.

H. W. J.: Nach der Wahl von Donald Trump zum US – Präsidenten werden die Stellschrauben zwischen Umweltpolitik und Sozialpolitik neu ausgerichtet. Es rollen wieder mehr Kohletransporte durch die USA, das Fracking wird weiter intensiviert und die „jungen, weißen und zornigen Wähler“ von Trump sind mit der Negation der „nationalen Ökologie“ einverstanden. Sozialer Fortschritt ist nach deren Lesart nur über die gnadenlose Ausbeutung der Natur machbar. Wie schafft man es, diesen offensichtlichen Widerspruch aufzulösen?

G. R.: Für Donald Trump ist der Klimaschutz eine Attacke auf die amerikanische Industrie, eine Bedrohung für den amerikanischen Wohlstand. Trump will Jobs und Profit schaffen, indem wieder kräftig in den Kohleabbau investiert wird. Dabei ist ihm die Umwelt im Weg.
Ende März hat der US-Präsident ein Dekret unterschrieben, mit dem er die bescheidenen Errungenschaften der USA in Sachen Umweltschutz zu Nichte machen will. Er änderte u. a. Begrenzungen der Methan-Emissionen in der Öl- und Gasindustrie. Und er sagte einem Kernanliegen Obamas den Kampf an: Die Umweltbehörde EPA soll den "Clean Power Plan" auf den Prüfstand stellen, mit dessen Anwendung die Kohlendioxid-Emissionen amerikanischer Kraftwerke bis 2030 im Vergleich zu 2005 um 32 Prozent gesenkt werden sollten.
Dieses Denken ignoriert nun einmal die Tatsache der Erderwärmung mit all ihren Folgen. Deshalb muss sich die Politik national wie international für das Gelingen der Energiewende einsetzen. Dazu ist ein sinkender Energieverbrauch erforderlich. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass zum Erreichen der Ziele im Pariser Klimaabkommen eine Verteuerung des Energieverbrauchs unvermeidbar sein wird.
Umso mehr ist es Verpflichtung der Politik, dass die Kosten der Energiewende für einkommensschwache Haushalte abgemildert werden. Dazu beitragen können verschiedene Maßnahmen, zum Beispiel:
Steigerung der Energieeffizienz, mit der der Energieverbrauch reduziert wird und folglich die Energieausgaben sinken;niederschwellige Energieberatung, um Einsparpotentiale zu erkennen; zielgenauere Umlagefinanzierung: Empfehlung, im Mietrecht zwischen energetischer und wohnwertsteigernder Sanierung deutlicher zu unterscheiden; Änderung in der Berechnungssystematik der Sozialtransfers: Berücksichtigung realistischer Energiekosten in Grundsicherung und Wohngeld, um soziale Härten zu vermeiden.

H. W. J.: Seit mehr als einem Vierteljahrhundert bemüht sich die UN um Leitbilder der Nachhaltigkeit zu definieren und umzusetzen. Die Aktivitäten der norwegischen Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland stehen hier stellvertretend für viele sonstige internationale Aktivitäten, die unter anderem bereits mit dem Psychoanalytiker E. Fromm 1976 (Haben oder Sein – die seelischen Grundlagen der neuen Gesellschaft) begannen. „Der Geist von Rio“ wurde zwar seit 1992 beschworen aber führte nie zu konkreten Ergebnissen, obwohl alle 179 Staaten der UNO diese Vereinbarung unterzeichneten. Die hierzu legendäre Agenda 21 wurde ebenfalls verabschiedet und im Motto „global denken – lokal handeln“ verankert. Kann dieses Motto durchschlagenden Erfolg liefern und hat die Menschheit noch die notwendige Zeit, um dieses evolutionäre Vorgehen so umzusetzen, dass z.B. die sich abzeichnende „Klimakatastrophe“ verhindert werden kann?

G. R.: Die Agenda 21 setzte sich mit der Vorstellung von nachhaltiger Entwicklung das Ziel, Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik den Bedürfnissen der heutigen Generation anzupassen. Im Sinne nachhaltiger Entwicklung sollte in den Industrieländern die Wirtschaftspolitik und damit auch die Energie-, Agrar- und Handelspolitik neu ausgerichtet werden. Die Agenda 21 wurde als ein Maßnahmenpaket vereinbart, das nicht nur internationale Organisationen und nationale Regierungen, sondern auch lokale Entscheidungsträger ansprach, weil viele der globalen Probleme auf der örtlichen Ebene gelöst werden können. In Deutschland bestehen in über 2.600 Gemeinden Beschlüsse zur Erarbeitung einer Lokalen Agenda 21. Am 1. Januar 2016 trat die Nachfolgeagenda („Agenda 2030“) in Kraft.
Politische Prozesse nehmen meist viel Zeit in Anspruch. Insbesondere evolutionäre Entwicklungen spielen sich über längere Zeiträume ab. Es ist angesichts der Erderwärmung und anderer Umweltfragen wichtig, dass Fortschritte, selbst wenn es nur kleine sind, erzielt werden. Es bleibt daher eine Hauptaufgabe, mehr Staaten, ihre Bevölkerungen und ihre Regierungen, zu überzeugen, sich für Klimaschutz und Nachhaltigkeit einzusetzen, um größere Fortschritte zu erzielen.

H. W. J.: Welche umweltbezogen Projekte stehen momentan im Fokus der Landesregierung und wie sollen diese finanziert werden? Welche Steuerarten werden zur Finanzierung herangezogen?

G. R.: Auf der Seite des Ministeriums für Umwelt-, Klima und Energiewirtschaft (http://um.baden-wuerttemberg.de) können sich Interessierte über umwelt- und naturschutzpolitische Themen und Projekte der Landesregierung informieren. Als politische Ziele gibt das Ministerium, welches über einen Gesamtetat von 527,12 Mio. verfügt, folgende an:
1. Die Energiewende in Baden-Württemberg voranbringen
2. Baden-Württemberg zur führenden Klimaschutzregion machen
3. Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt einschließlich ihrer Lebensräume
4. Eindämmung des Ressourcenverbrauchs
5. Risikovorsorge bei kerntechnischen Anlagen und Stärkung des Hochwasserschutzes.

Der Großteil der Ausgaben des Landeshaushaltes wird durch Steuereinnahmen finanziert wie der Lohnsteuer, Einkommenssteuer, Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer. Darüber hinaus sind Zuweisungen und Erstattungen vom Bund wesentliche Einnahmequellen.
Da die SPD seit der Landtagswahl 2016 nicht mehr Teil der Landesregierung ist, nutzen wir als Opposition die Möglichkeiten der parlamentarischen Initiativen wie Anträge und Anfragen. Dadurch lässt sich die Landesregierung zu einem bestimmten Handeln bewegen.

H. W. J.: Die von der damaligen Koalitionsregierung in Stuttgart durchgeführte Rücknahme der Studiengebühren soll ausgehöhlt werden. Auf Schleichwegen sollen Zweitstudierende und ausländische Studenten Studiengebühren bezahlen, um die Finanzierung des Landeshaushaltes zu verbessern und zu entlasten. Kann hier ein irgendwie gearteter Zusammenhang zwischen ökologischen Bestrebungen und diesen sozialen Kosten hergestellt werden? Wie hoch werden die Kosten für die praktische Ökologie von Baden - Württemberg über den Landeshaushalt angesetzt?

G. R.Ein Zusammenhang zwischen ökologischen Bestrebungen und der Erhebung von Studiengebühren ist für mich nicht erkennbar. Laut Aussage der Landesregierung fließen die zu erwartenden Einnahmen der nun im Landtag beschlossenen Studiengebühren in den Landeshaushalt und zu einem geringen Teil unmittelbar an die Hochschulen.

H. W. J.: Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen, und wir freuen uns bereits jetzt auf den Vortrag.

 

Lebenslauf  Gabi Rolland:

1963 in Kenzingen geboren wuchs ich in Emmendingen auf. Als Tochter eines Hilfsarbeiters und einer Verkäuferin war der Weg von der Grundschule auf das Gymnasium keine Selbstverständlichkeit. Davon ließ ich mich jedoch nicht abhalten, sondern absolvierte das Abitur und anschließend eine Ausbildung in der Stadtverwaltung Emmendingen. An der Verwaltungsfachhochschule Kehl schloss ich 1987 mein Studium erfolgreich mit dem Staatsexamen zur Diplom-Verwaltungswirtin ab.
Bis zu meinem Einzug in den Landtag 2011 war ich 24 Jahre lang im Landratsamt Emmendingen beschäftigt. Dort war ich zuerst zuständig für alle Belange des Umweltrechts und später Beauftragte für grenzüberschreitende Zusammenarbeit. Dabei konnte ich viele Erfahrungen in der Umsetzung von Gesetzen sammeln, während ich nun – auf Grundlage dieser Erfahrungen – an deren Ausarbeitung und Verabschiedung im Landtag mitwirke.
Neben meiner beruflichen Tätigkeit engagiere ich mich seit vielen Jahren in der SPD. Nach meinem Eintritt in die Partei 1984 war ich zunächst bei den Jungsozialisten (Jusos) aktiv und übernahm danach den stellvertretenden Vorsitz im Kreisverband Emmendingen. Mit meinem Umzug nach Freiburg 1989 wurden die Stühlinger SPD und ihr Vorstand meine neue politische Heimat: Zunächst als Beisitzerin, dann als Kassiererin und schließlich als Vorsitzende.
1997 wurde ich dann in den Freiburger Gemeinderat gewählt. Durch mein Mandat als Stadträtin konnte ich Vieles in Freiburg mitgestalten: von der Umgestaltung der Eschholzstraße über die Unterstützung der Arbeit von Vereinen und Initiativen bis hin zur Durchsetzung der Spiegelhäuser.
2011 konnte ich erstmals als Abgeordnete für Freiburg in den baden-württembergischen Landtag einziehen. Um mich voll der Regierungsarbeit widmen zu können, legte ich nach 14 Jahren mein Gemeinderatsmandat nieder. Mit der Wiederwahl im März 2016 werde ich auch in den kommenden fünf Jahren dem Landesparlament angehören.
Aufgrund meiner beruflichen Erfahrungen und Leidenschaft wurde ich zur umweltpolitischen Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion ernannt. Als Mitglied in den Ausschüssen „Wissenschaft, Forschung und Kunst“ sowie „Umwelt, Klima und Energiewirtschaft“ (Vorsitz) liegen mir insbesondere die umwelt- und hochschulpolitischen Themen am Herzen. Darüber hinaus engagiere ich mich ehrenamtlich u.a. bei den Naturfreunden Freiburg, in der evangelischen Kirche, der Jugendberatung, der DLRG und dem Nachbarschaftswerk.

 

 

 

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