Freiburg-Hochdorf

 

Interview Gustav Rosa Mahnwache Breisach

Veröffentlicht in Interview


Unser Interviewpartner Gustav Rosa bei der Brückenaktion in Breisach am 24. April 2016

Mahnwache gegen Atomwahn

Am 1. August 2016 war es die 276. Mahnwache in Breisach am Rhein. Seit mehr als fünf Jah­ren protestieren dort jeden Montag Menschen gegen das Atomkraftwerk in Fes­senheim, etwa 13 km Luftlinie von Breisach entfernt. Die Bewohner am Oberrhein sind in großer Sor­ge um ihre Zukunft in ihrer Heimat. Denn das AKW Fessenheim ist nicht nur das älteste AKW in Frankreich, sondern wohl auch das mit den größten Si­cher­heits­ri­si­ken behaftete (Erdbebengefahr, Überflutungsgefahr, unzureichender Berstschutz bei ei­nem Flug­zeugaufprall, um nur einige zu nennen). Die französische Atom­aufsicht hat jüngst die Wiederin­be­trieb­nahme des zweiten Reaktorblocks untersagt, weil die Bau­weise des be­tref­fen­den Dampf­erzeugers nicht den Herstellungsvorschriften entspricht.

Die SPD-Hochdorf hat den Breisacher Genossen Gustav Rosa, den Organisator der Mahn­wache, interviewt.

Lieber Gustav, wie würdest Du jemandem, der noch nie etwas von eurem Projekt gehört hat, die Breisacher Mahnwache beschreiben?

Nach dem Supergau von Fukushima am 11. März 2011 wurde bundesweit zu Mahn­wa­chen ge­gen Atomkraft aufgerufen. In Breisach hat das die Umweltliste (ULB) organisiert. Vom 18. bis zum 26. März demonstrierten Atomkraftgegner jeden Tag zwi­schen 18:00 und 19:00 Uhr auf dem Neutorplatz in Breisach. Nach der Landtagswahl 2011 und deren über­raschendem Ausgang überlegten wir, wie es weitergehen soll. Letztendlich über­nahm der SPD-Ortsver­ein die Verantwortung und mel­dete beim Landratsamt ab sofort und bis auf Widerruf eine wö­chentliche Montagsmahnwache an. Nach dem Eintreffen der Genehmi­gung fand dann am 18. April 2011 die erste Montagsmahnwache auf dem Neutorplatz in Breisach statt.

Was ist der politische Sinn der Mahnwachen?

Ziel der Montagsmahnwachen ist der Ausstieg aus der Atomkraft und der Umstieg auf er­neuerbare Energien. Speziell geht es uns natürlich auch um die Abschaltung des AKW Fwessenheim auf der anderen Rheinseite. Darum fanden im Laufe der Jahre auf dem Neutor­platz oder im An­schluss an die Mahnwache (meist in der Spitalkirche) verschiedene Ver­an­stal­tun­gen statt. Es gab Filmvorführungen, Buchpräsentationen oder themen­bezogene Vorträ­ge un­ter musikalischer Begleitung von Theo Ziegler, Roland Burkhart (Buki), Gerold Jäger u.a. Zu den prominentesten Teilnehmern zählen Prof. Dr. Ernst Ul­rich von Weizsäcker, Henry Stoll (Bür-germeister von Kaysersberg - Elsass), Rita Schwarzelühr-Sutter (parla­men­tari­sche Staats-sekretärin im Bundesumweltministerium), Gernot Erler (MdB), Kerstin An­dreae (MdB), Christoph Bayer (MdL), Gabi Rolland (MdL), Bärbl Mielich (MdL), Patricia Guéguen (Vor-sitzende „Les Verts - Alsace“), Oleg Veklenko ("Liquidator" aus Tscher­no­byl) u.v.a. Wir würden uns freuen, wenn auch der Breisacher Bürgermeister einmal bei uns vorbeischauen würde.

Was sind das für Menschen, die sich an den Mahnwachen beteiligen?

Die Teilnehmer kommen aus allen Altersgruppen, aus allen Konfessionen und aus allen so­zialen Schichten. Es machen regelmäßig auch einige alt gediente und jung gebliebene Akti­vis­ten mit, die schon in Wyhl dabei waren. Auch Passanten stellen sich spon­tan dazu.

Die Mahnwachen sind selbstverständlich parteiübergreifend. Aber Parteien können und sol­len u.E. teilnehmen, um die Wirkung zu verstärken. So wehen auch öfter rote (Linke, SPD), grü­ne (DIE GRÜNEN) oder orangefarbene (Piraten, ÖDP) Fahnen auf dem Neu­tor­platz. Das NABU-Transparent ist regelmäßig aufgespannt. Einzelne Personen oder Grup­pierun­gen boy­kottieren wegen der Parteifahnen unsere Mahnwache - in un­se­ren Au­gen ein etwas merk­würdiges Demokratieverständnis.

Wie ist insbesondere der Kontakt zu unseren französischen Nachbarn?

Ein Hauptziel war es, unsere Mitstreiter aus dem Elsass zu mobilisieren. Inzwischen sind sie regelmäßig dabei. Nicht nur ihre Präsenz ist wichtig. Wir tauschen intensiv Infor­ma­ti­o­nen aus und organisieren inzwischen fast alle Aktionen gemeinsam (rheinüber­greifend). Auf dem Neutorplatz in Breisach wird die von Landes- und Bundespo­litikern so gerne zi­tierte deutsch-französische Freundschaft auf der unteren Ebene im wahrsten Sinne des Wortes gelebt.

Wart ihr z.B. schon einmal drüben in Fessenheim direkt?

Selbstverständlich. Die Mahnwache Breisach nimmt aktiv an allen Protestaktionen auf bei­den Seiten des Rheins teil, Wir helfen bei der Organisation und unterstützen, wo wir kön­nen. Das Auto mit dem Atomfass auf dem Dach ist inzwischen zum Wahrzeichen geworden.

Hat die Breisacher SPD oder haben andere politische Gruppierungen eine Antwort auf die Sor­gen der Fessenheimer um ihre Arbeitsplätze?

Uns Deutschen steht es nicht zu, Antworten zu präsentieren, aber wir zeigen Ver­ständ­nis für die Sorgen und Ängste unserer Nachbarn - soweit sie begründet sind. Seit dem ver­gan­ge­nen Herbst appellieren wir an Berlin, Stuttgart und auf lokaler Ebene und versuchen den Schwer­punkt von Umwelt auf Wirtschaft zu verlagern. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ha­ben wir unse­ren Brief persönlich übergeben und gebeten, sein ganzes Gewicht einzu­setzen. Er hat es uns versprochen. Auch Ex-Minister Nils Schmid hat unser Schreiben per­sönlich entge­gen­ge­nommen. Jetzt kann er nicht mehr aktiv werden, aber unsere Landtags­abgeordneten ha­ben eine Anfrage an den Landtag gestellt, wie eine konkrete Zu­sammen­arbeit mit dem fran­zö­si­schen Staat sowie den nachgeordneten Verwaltungsbehörden und der Be­treiberin des AKW Fes­sen­heim aussehen könnte, mit dem Ziel, ein gewerbliches oder wissen­schaftliches Unternehmen am Standort des AKW Fessenheim neu anzusiedeln.

Wie ist der derzeitige Stand der “Sicherheit” beim AKW Fessenheim?

Unverändert besorgniserregend. Es ist müßig, beim AKW Fessenheim über Sicherheit zu sprechen. Die Mängel sind bekannt, die Risiken auch. Sie sind ja der Grund für un­se­re Mahn­wachen.

Wie ist der Stand der Dinge um die Schließung des AKW?

Alles deutet darauf hin, dass das AKW Fessenheim in absehbarer Zeit endgültig abge­schaltet wird.

Wann würdet ihr sagen, dass man die Mahnwache einstellen könnte? Wäre die letzte Mahn­wache eine besondere Veranstaltung?

Da möchte ich Annemarie Sacherer aus den 70-ger Jahren ziteren: "Und wir halten durch, bis dass der Atommafia die Luft ausgeht!" Über das „Wie wir die letzte Mahn­wa­che ge­stal­ten“ haben wir uns noch keine Gedanken gemacht. Das werden wir dann ge­meinsam ent­schei­den. Auch wenn das AKW in Fessenheim endgültig vom Netz ist - es gibt noch genü­gend andere atomare Gefahrenpunkte in unserer Region (Leibstadt, Bez­nau usw.). So lan­ge ich kann und nicht alleine auf dem Neutorplatz stehe, mache ich weiter!

Wo kann man sich über eure Arbeit weiter aktuell auf dem Laufenden halten? Braucht ihr noch Unterstützung?

Alle Montagsmahnwachen sind in Text und Bild auf unserer Homepage dokumentiert: http://spd-breisach.de/index.php?id=522. Jede Protestbewegung steht und fällt mit ihren Un­ter­stützern. Das AKW Fessenheim wäre wohl schon abgeschaltet, wenn bei unseren Ak­ti­onen (Mahnwachen, Demos) mehr Leute mitmachen würden. In Wyhl waren es noch 30 - 40000 - wir haben Mühe 3 - 4000 auf die Beine zu stellen. Das ist inzwischen auch ein ge­sellschaftliches Problem. Satte und zufriedene Leute genießen ihren Wohlstand und sehen keinen Grund, sich für ihre Zukunft und die ihrer Nachkommen einzusetzen.

Neue Teilnehmer sind jederzeit herzlich willkommen.

Lieber Gustav, vielen Dank für das Gespräch.

(Das Interview führte Knuth Stemmer, selbst gelegentlich Teilnehmer an den Breisacher Mahnwachen)

 

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